von Roland Ermrich
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Engagement im Wohnumfeld ist für Anwohner die naheliegendste Möglichkeit, um ihre unmittelbare Lebenswelt mitzugestalten. Aber auch hierfür, wie zu allem anderen ehrenamtlichen Einsatz für soziale, kulturelle oder städteplanerische Anliegen, wird die Zusammenarbeit und Unterstützung der Politik und Verwaltung benötigt. In diesem Zusammenspiel hapert es oftmals. Die Gründe hierfür sind in unserem Viertel Komplex und bedürfen einer gründlichen Analyse sowie eines offenen Diskurses aller Beteiligten. Folgender Artikel basiert auf den Aktionen der letzten Jahre, gibt die Sicht des Autors wieder und soll zur Diskussion anregen.
Die Kommunalwahlen 2020 haben deutlich gezeigt, dass die Anwohner in unserem Viertel mit der Lokalpolitik nicht zufrieden sind. Nicht die Auswahl ihrer Parteienpräferenz ist bemerkenswert; beunruhigend ist vielmehr, dass die Wahlbeteiligung zum Teil fast 20 Prozent unter der von gesamt Düsseldorf liegt hier . Der Gründe sind offenbar Apathie und Frustration. Sie hat sich bei vielen Anwohnern im Viertel festgesetzt. Folge: Das Vertrauen in die Politik schwindet. Zunächst haben wir es noch mit Banalitäten zu tun. Gefühlt wird die „Stadt“ nur dann im Viertel sichtbar, wenn sie als „Polizei“ oder als „Ordnungsamt“ mit Blaulicht unterwegs ist. Sonst findet „Stadt“ nicht statt. Das Bezirksparlament, unsere politische Vertretung für den gesamten Stadtbezirk, hat unser Viertel immer dann auf der Tagesordnung, wenn Investoren Bauanfragen stellen. Probleme, die unsere Mitbürger bedrücken – sei es Vermüllen, Verkehrssicherheit, übersteigerte Verdichtung des Viertels, Verschönerung von Straßen und Plätzen oder Sicherheit unseres einzigen Spielplatzes – all das greifen die Anwohner oder ihre Initiativen oft selbst auf, Beispiele hier oder – hier –.
Viele Anwohner kennen aufgrund ihres Migrationshintergrundes nicht die Möglichkeit, Politiker mit ihren Anliegen anzusprechen.
Das heißt nicht, dass die politischen Vertreter/innen unsere Probleme einfach außer Acht lassen; oder bewusst negieren, etwa nach dem Motto „Bei den Ausländern sind sowieso keine Stimmen zu holen“. Die Probleme unseres Viertels kommen auch deshalb nicht auf die Tagesordnung, weil viele Anwohner aufgrund ihres Migrationshintergrundes – hier – die Möglichkeit, Politiker mit ihren Anliegen anzusprechen nicht kennen. Hier herrscht Informationsbedarf.
In Wahlkampfzeiten ziehen die Spitzenkandidaten der Parteien durch unsere Straßen und begrüßen die Anwesenden mit dem Satz „Guten Tag, ich bin Ihr Oberbürgermeister“, oder „ich möchte Oberbürgermeister werden“. Ein Vorschlag wäre: auch mal in der Zeit zwischen den Wahlen durch die Straßen zu ziehen und die Bürger/innen mit dem Satz zu begrüßen „Ich bin ihr Oberbürgermeister, und dies ist Frau Meier und die kümmert sich in der Bezirksvertretung um unseren Stadtteil. Sie ist für Sie da. Zum Beispiel am 24., wo wir uns im Restaurant „Sowienoch“ treffen. Dort können Sie sagen, was Sie hier stört und was Sie verbessern wollen. Bringen Sie auch bitte Ihre Nachbarn mit.“ Auch die offiziellen „Bürgersprechstunden“ in der Verwaltungsstelle können an die Orte des Geschehens – rotierend im großen Stadtbezirk – verlegt werden. Ein Versuch, Politik sichtbar, hörbar und fühlbar zu machen.
Auch haben wir keinen offiiziellen City-Manager/in, der/die für die Bürger und Geschäftsleute moderiert, kein Bürgerhaus mit musikalischem Equipment für unsere Szene, auch kein Grün oder Plätze für einen angenehmen Aufenthalt. Dafür besitzen wir Leerstände von Geschäften en masse, die zum Teil schon seit Jahren das Stadtbild verschandeln, obwohl mit geringen Mitteln Zwischennutzungen geschaffen werden könnten hier ; oder wir haben bei uns die für Düsseldorf und Umgebung zentrale Stelle für Drogenhilfe. Folge: Dealer, Prostitution und Beschaffungskriminelle beherrschen die Szene. Falls hier nicht bald eine grundsätzliche Besserung eintritt, werden einige Straßenzüge noch mehr Leerstände bekommen oder sogar verfallen.
Nirgendwo in Düsseldorf kümmern sich so viele Mitbürger und unterschiedliche Gruppen um das Gemeinwohl
Das wäre dramatisch – vor allem deshalb, weil es sich in einem guten Viertel abspielt. Denn nirgendwo in Düsseldorf kümmern sich so viele Mitbürger und unterschiedliche Gruppen um das Gemeinwohl wie hier rund um den Hauptbahnhof: Sie arbeiten Vorschläge zur Planung, Verbesserung und Verschönerung des Umfeldes in der Innenstadt aus, sie informieren die Anwohner, Geschäftsleute, Schulen und unsere Besucher aus den anderen Stadtteilen über das Viertel, sie rufen zum Engagement auf, sie verfolgen aktiv die politischen lokalen Prozesse und möchten sich in diese einbringen. Hier ein Beispiel.
Für diese Aktivitäten bedarf es eines kontinuierlichen Dialoges mit den zuständigen Politikern aus Bezirksvertretung und Stadtrat. Die jeweiligen Aktivitäten müssen abgesprochen werden, damit mit den jeweiligen städtischen Ämtern positiv zusammengearbeitet und eine operative Umsetzung der Maßnahmen erfolgen kann. Diese Arbeit ist oftmals sehr langwierig und mit Rückschlägen verbunden. Nur wenige Aktionen verlaufen erfolgreich, aber es gibt sie. So gibt es noch viel Luft nach oben“.
Aber in den überwiegenden Fällen erhalten die Aktivisten oder Initiativen von vielen Menschen, auch Politikern/innen, ein wohlgemeintes Schulterklopfen für ihre ehrenamtliche Arbeit, verbunden mit der richtungswesenden Aufmunterung „Macht weiter so!“ Und das war’s dann gewesen. Qualitativ bestens ausgearbeitete Vorschläge und Diskussionsbeiträge werden jeweils an die kompetenten Ämter und an fachlich zuständige Politiker/innen weitergeleitet. Die Resonanz reicht von Antwortschreiben mit schroffer Ablehnung, oder aus denen wohlwollendes Desinteresse zu entnehmen ist bis zu „Übereinstimmungen in den meisten Punkten“; diese Punkte bleiben leider oftmals folgenlos, ob sie zur Wiedervorlage abgeheftet werden? Oftmals bleiben die Schreiben ohne jegliche Antwort – noch nicht einmal der Eingang wird bestätigt. Und es ist sogar vorgekommen, dass eine Drittinstitution für eine Initiative Finanzmittel zur Verfügung stellt, diese aber nur über die Stadt ausgezahlt werden können. Eine entsprechende Bitte an den zuständigen Beigeordneten wurde nicht beantwortet.
Das Engagement der vielen Bürger ist zwar vielschichtig, spricht mannigfache Zielgruppen an und ist auch für die Bedeutsamkeit und Notwendigkeit unterschiedlich zu bewerten – so werden gelegentlich nur reine Partialinteressen vorgetragen. In solchen Fällen kann die notwendige politische Priorität schon mal eine Initiative als Wunschprojekt hintenanstellen oder gar ablehnen. Das wäre nicht weiter tragisch, denn auch eine fachlich begründete Ablehnung eines Projektes kann vermittelt werden. Es gibt genügend Beispiele.
Ein Ignorieren der Initiativen bedeutet mangelnde Wertschätzung und führt zur Frustration und Apathie.
Manchmal lähmen Zielkonflikte zwischen Verwaltung und Politik die Arbeit der ausführenden städtischen Ämter. Auch versacken schon mal befürwortende Stellungnahmen der Bezirksvertretung im Treibsand der Verwaltung. Dies alles ist zu ertragen und hinzunehmen; unsere Anwohner sind widerstandsfähige Menschen. Ein klares Ignorieren jedoch bedeutet mangelnde Wertschätzung
Diese Ignoranz hat leider auch fatale Folgen, wie der Bebauungsplan des Worringer Platz 5 mit Micro-Appartements zeigt. Anstelle dieser nun genehmigten Verdichtung gab es einen Vorschlag des damaligen Eigentümers, die alte „Botschaft“ als Kultureinrichtung zur Veränderung des Worringer Platzes wieder aufleben zu lassen, u.a. als Spielstätte für das Forum Freies Theater (FFT). In einer Berechnung der städtischen Architekten wurden rund 4 Millionen Euro an Kosten ermittelt. Das Angebot des Eigentümers mit einer etwas abgespeckten Renovierung und somit weitaus geringeren Kosten wurde von der Stadt noch nicht einmal beantwortet. Nun wird von der Stadt für das FFT eine Spielstätte im KAP1 hergerichtet. Kosten: Laut „Rheinischer Post“: Sieben Millionen Euro. Eine Möglichkeit zur Veränderung des Worringer Platzes wurde nicht genutzt; an mangelnden Finanzen kann es nicht gelegen haben. Aber auch die kreative Szene hat das Angebot des Eigentümers nicht aufgegriffen und sich bei der Stadt für diese „kulturelle Reaktivierung“ eingesetzt. Jetzt, nachdem eine Anfrage für Mikroapartments genehmigt ist, kommt eine Initiative zur Rettung de Kulturstätte natürlich zu spät.
Die Bebauung an der Worringer-/Ecke Gerresheimer Straße ist ein weiteres eklatantes Beispiel für ein Ignorieren der Anwohner. Entgegen dem ursprünglichen Bebauungsplan unter Bürgeranhörung, in der die Bürger bereits Kritik geäußert haben, wurden die Pläne des mittlerweile vierten Investors weiter zum Nachteil der Anwohner verschlechtert: zu enge bis zu achtstöckige Bebauung, Blockrandbebauung, erhöhte WE-Anzahl (von 380 auf 450), Fällen der Bäume und entgegen des Ursprungsentwurf kein Einplanen von Radwegen oder Baumscheiben auf der Gerresheimer Straße, die bereits jetzt zu eng ist. Dieses Nicht-Ernstnehmen ist auch in den Veranstaltungen der Stadt festzustellen, in denen die Ideen, Vorschläge und Visionen der Bürger ermittelt werden sollen.
Die Anregungen der Anwohner wurden so gut wie gar nicht berücksichtigt, oft wurde sogar Gegenteiliges in der Durchführung umgesetzt.
Bei der Planung des EKISO Projektes zur Veränderung des Viertels – hier– wollte die Stadt in guter Absicht die Anwohner und Geschäftsleute in die Planungen einbeziehen. Drei Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISGs) der Hauseigentümer sollten als Ansprechpartner der Anwohner dienen. Mit Ihnen wurden Informationsveranstaltungen, erklärende und informative Rundgänge durchs Viertel angeboten und schließlich Workshops abgehalten, in denen alle vorgebrachten Ideen auf verschieden farbigen Karten aufgeschrieben wurden. Viele Anwohner haben an diesen Veranstaltungen teilgenommen.
Es wurde kontrovers diskutiert, die Anregungen wurden als Vorschläge formuliert. Bei der Realisierung bis 2016 war das Erstaunen groß: die ausgearbeiteten Anregungen wurden so gut wie gar nicht berücksichtigt, oft wurde sogar Gegenteiliges in der Durchführung umgesetzt und argumentiert „dies haben die Bürger so gewollt“. Die Folge war eine allgemeine Frustration bei den beteiligten Bürgern – hier – eine Interessengemeinschaft, die ISG City-Ost löste sich auf, da sie keinen Sinn in einer weiteren Zusammenarbeit mit der Stadt sah. Viele Anwohner betrachten die städtischen Veranstaltungen als reine Alibi-Schauspielerei. Auf der Webseite der Stadt wird in langen Ausführungen, in Architektendeutsch formuliert – hier –, das Projekt noch heute positiv dargestellt. Ein kurzer Rundgang durch das Planungsgebiet wird die Substanzlosigkeit dieser empathischen städtischen Ausführungen aufdecken.
Bei der Ausschreibung zur Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes sollten die Vorschläge der Anwohner einfließen.
Bei der Ausschreibung zur Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes im Frühjahr 2017 ist dem Planungsamt zunächst beste Absicht zuzuschreiben: es sollten erneut die Vorschläge der Anwohner einfließen. Leider wurden die Erfahrungen aus dem EKISO- Projekt und die Besonderheiten des Viertels bei der Vorbereitung dieser neuen „Bürgerbeteiligungen“ nicht aufgearbeitet, geschweige denn berücksichtigt. Es wurde genauso vorgegangen wie im oben erwähnten EKISO-Projekt. Die Bürger/innen wurden aufgerufen, „macht mit! In diesen Beteiligungsverfahren ist keine Idee tabu, alles kann diskutiert werden“ – hier – und – hier – . Diese Aufrufe wurden von vielen Anwohnern nicht mehr ernst genommen, vielmehr so eingeschätzt, wie sie im Nachhinein die Beteiligungsformate für das EKISO-Projekt beurteilt hatten, als Alibi-Veranstaltungen, um formal Bürgerbeteiligung vorzuweisen. Die Anwohner blieben den Veranstaltungen fern. Teilnehmer waren städtische Bedienstete, Fachvertreter von Verbänden, Lobbyisten, interessierte Bürger aus anderen Stadtteilen und auch einige wenige Anwohner aus dem Viertel – hier – und – hier – .
Informationsveranstaltungen, erklärende und informative Rundgänge durchs Viertel angeboten und schließlich Workshops abgehalten, in denen alle vorgebrachten Ideen auf verschieden farbigen Karten aufgeschrieben wurden. Foto: Stadt Düsseldorf
Diese schrieben ihre Ideen auf verschieden farbige Karten. Mit ausgesuchten Zielgruppen wurden Gespräche geführt. Alles wie gehabt beim EKISO-Projekt. Eine Online-Beteiligung wurde angeboten: wer versäumt hat, seine Ideen in den Workshops auf bunte Karten zu schreiben konnte dies digital nachholen. Das ganze Verfahren war auf der Webseite der Stadt anzuschauen. Der Anschein wurde erweckt: transparenter geht es nicht. Die Ideen wurden gesammelt und veröffentlicht – hier – und – hier – und der Wettbewerb wurde ausgeschrieben -hier – .
Das Hochhaus war bereits Bestandteil der Rahmenvereinbarung mit der Bahn – diese Tatsache wurde verschwiegen
Bei der Preisvergabe – hier – war von den „Bürgerideen“ nicht viel übriggeblieben. Oder wie ein Kommentator schreibt „… die sogenannten Ideen aus den Workshops sind so reichhaltig, dass – egal, was in den Entwürfen präsentiert wird – immer gesagt werden kann, das haben die Bürger so gewollt. Aber in Wirklichkeit waren die kaum beteiligt. Leider wird das Ergebnis in erster Linie der Klotz Hochhaus sein“ Und dieser Klotz Hochhaus wurde in den Workshops – anonym eingebracht, „Hochhaus“ stand auf einmal auf einer Karte – kaum diskutiert. Denn auf die Frage eines Teilnehmers, was es mit dem Hochhaus auf sich habe, antwortete die Stadtverwaltung: „Ach, das ist nur eine Idee der Bahn“. Also nahm sich auch kaum ein Teilnehmer der Problematik eines Hochhauses an. Es wurde nur spärlich diskutiert.
Nur: Das Hochhaus war wesentlicher Bestandteil der Rahmenvereinbarung, welche die Stadt kurz vorher mit der Bahn geschlossen hatte. Als Voraussetzung für die Errichtung des Hochhauses wurde der Abriss eines Teils des Immermannhofes genannt. Mit dieser Beseitigung würde eine Sichtachse von der Immermannstraße auf das Hochhaus geschaffen. Nun wird dieser Abriss nicht realisiert, weil die Eigentümer dem nicht zustimmen. Die Planungen gehen trotzdem weiter Sogar im Vorfeld der Ausschreibungen sind aus der Bürgerschaft und von Initiativen Diskussionsansätze und Vorschlage in der Öffentlichkeit unterbereitet worden. Im Magazin „Quartier M“ und hier und hier sind einige Beispiele, die nie auch nur im Ansatz berücksichtigt wurden, d.h. auf diese Vorschläge wurde gar nicht erst eingegangen.
Die zahlreichen Initiativen und Vorschläge wurden nicht berücksichtigt
Diese Nichtberücksichtigung der zahlreichen Initiativen und Vorschläge zieht sich bis in jetzige aktuelle Aktionen oder Initiativen hin wie die Aufarbeitung des Projekts „Von fremden Ländern in eigenen Städten“ – hier – beispielhaft zeigt. Die herrschende Meinung bei vielen Anwohnern ist, die Stadt wolle lediglich ihre Vorstellungen und beschlossenen Planungen jeweils mit einer von ihr initiierten „Beteiligung der Anwohner“ legitimieren, dies medienwirksam streuen und letztlich auf der städtischen Webseite verewigen. Zwei Jahre nach der Vorstellung der Wettbewerbssieger werden neue, wiederum ziemlich veränderte Planungen von der Stadt vorgestellt – hier-. Das Hochhaus wird höher, dafür schlanker, das Empfangsgebäude wird aufgestockt. Sicherlich kann jede Planung, jeder Entwurf im Laufe der Planungen verändert, verbessert werden. Nur die gesamte Prozedur war und ist für die Anwohner unverständlich und undurchsichtig. So wird die jetzige Ankündigung, dass bei dem nun beginnenden Bebauungsplanverfahren die „Beteiligung der Menschen vor Ort eine zentrale Rolle“ spielen soll mit großer Skepsis aufgenommen. Warum sollen sie die „Größe der Fenster des künftigen Hochhauses“ mit definieren, wenn sie dieses Hochhaus gar nicht wünschen? Die Ausgestaltung des aufgestockten Empfangsgebäudes der Bahn, des Eingangstores zur Stadt, könnte in der Tat eine spannende Geschichte werden. Nur hier werden die jetzt zur Beteiligung aufgerufenen Bürger keine Vorschläge machen können. Denn hier herrscht die Bahn
Über die unterschiedlichen Sichtweisen und Motive der beteiligten Gruppen muss Klarheit herrschen
Diese kritische Betrachtungsweise der lokalpolitischen Handlungsweisen in unserem Viertel heißt nicht, der Stadt den Willen abzusprechen, auf die Wünsche der Anwohner einzugehen. Auch wenn die oben aufgezeigte Vorgehensweise der Stadt enttäuscht, ist das noch lange kein Beweis dafür, dass eine Beteiligung der Bürger*Innen zum Scheitern verurteilt ist. Es gibt positive Beispiele hierfür. Zum Beispiel bei der Veränderung der Bismarckstraße
Die Erfahrungen aus den „Beteiligungsveranstaltungen“ zum EKISO-Projekt hätten analysiert, berücksichtigt und mit den Beteiligten besprochen werden müssen. Vor Allem die Reaktionen der ISGs wären eine Aufarbeitung wert gewesen. Die Stadt muss sorgfältig planen und der Öffentlichkeit ihre Gedankengänge hinter der Konstruktion des geplanten Verfahrens vermitteln.
Vorraussetzung einer Bürgerbeteiligung ist Offenheit
Dazu hätte gehört, über den abgeschlossenen Vertrag mit der Bahn offen zu informieren. Dann wäre die Geschäftsgrundlage der Beteiligung definiert gewesen. So war aber nicht klar, an welchen Planungen können die Anwohner sich überhaupt beteiligen? Konnte über die Ränder des Ideenbereichs hinaus – Worringer Platz, Grand Central, alte Paketpost, Mintropplatz – geplant werden? Oder galt diese Erweiterung des Planungsgebietes nur für das Hochhaus der Bahn? Jede ernsthafte Beteiligung von Bürgern setzt die Bereitschaft voraus, die Planungen auch ganz anders zu regeln als gedacht. Sie verlangt nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch eine offene Planung. Offenheit zeigt, dass der Zweck einer Bürgerbeteiligung nicht der Versuch ist, für bereits gefällte Entscheidungen Akzeptanz zu erhalten. Beim Wettbewerb kam der Bürger zu der Ansicht, hier werde aufs Geratewohl eine Crowdsourching-Aktion in Szene gesetzt, um mit möglichst vielen – konträren – „Ideen“ der Bürger*Innen jede weitere Planung zu begründen
Auch muss unterschieden werden, wer von den Planungen hauptsächlich betroffen ist. Der Bahnhofsvorplatz steht für das Eingangstor zur Stadt, das täglich mehrere hunderttausend Menschen passieren. Die umgebenden Straßen sind erstmal Wohn- und Geschäftsort der dortigen Anwohner. Aber er ist auch unbeschränkt zugänglich für die Bewohner*innen und Besucher*innen der Stadt. Planungen müssen deshalb das gesamte innerstädtische Umfeld im Blick haben. Eine Verengung auf einzelne Teilbereiche führen zu verengten Vorstellungen, die nicht zu den angrenzenden Straßen und Stadtteilen passen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch eine Anwohnerbeteiligung zu eng. Wären die oben kritisch betrachteten Veranstaltungen von Beginn an nicht als „Bürgerbeteiligungen“ sondern als reine Informations-Veranstaltungen bezeichnet worden, wäre viel Unmut vermieden worden.
Zur Vorbereitung von Bürgerbeteiligungen muss die demografische Struktur berücksichtigt werden
Zur sorgfältigen Vorbereitung für Bürgerbeteiligungen in unserem Viertel gehört auch, die demografischen und sozialen Strukturen zu berücksichtigen hier . Bei 70% Anteil ausländischer Anwohner aus über 100 Nationen und einer jährlichen Fluktuation von über 30% kann eine Beteiligung der Anwohner nicht durchgeführt werden wie in Benrath oder Angermund. Diese Struktur erschwert jegliche Art der Bürgerbeteiligung. Ein passendes Format ist halt noch nicht entwickelt worden. Hier sind alle, Anwohner, Geschäftsleute, Politiker und Verwaltung für die Zukunft gefragt. Schließlich ist auch das äußere Bild unseres Viertels ein wesentlicher Kritikpunkt. Die unwirtlichen Leerstände zu verringern ist eine Sofortaufgabe. Die bislang vorgetragenen Hürden durch die Bauordnung des Landes, auf die sich die Düsseldorfer Bauaufsicht ständig beruft, sind durchaus überwindbar. Die Stadt muss es nur wollen. Zurzeit klafft zwischen den Aussagen der Politik „mehr Zwischennutzungen realisieren!“ und der Praxis der Verwaltung eine beträchtliche Kluft. Die Landesregierung hat sogar mit einem Sonderprogramm finanzielle Anreize zur Abschaffung der Leerstände geschaffen. Dies gilt es aufzugreifen
Unsere Bezirksvertretung ist für Vorschläge ein guter und vor Allem aufgeschlossener Ansprechpartner. Dies gilt unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Jede Initiative, jeder Verein, auch jeder Einzelne, der Ideen für unser Viertel hat, aber nicht weiß, wie diese umgesetzt werden können, sollte sich an die Mitglieder der Bezirksvertretung wenden. Es muss auch kritisch angemerkt werden, dass es oftmals bei den Bürgern an Eigeninitiative fehlt, neue Ideen auf- oder Missstände anzugreifen. Findet jedoch ein offener Diskurs mit der Bezirksvertretung statt werden die Ergebnisse für die Verwaltung klar formuliert. Eine Umsetzung kann beginnen, auch wenn dann immer noch neue, nicht berücksichtigte oder bekannte Fakten auftauchen werden.
Bürgerinitiativen und Parteien sind keine Gegensätze
Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit, stellt unser Grundgesetz heraus. Wo könnte dies anschaulicher geschehen als dort, wo die Menschen wohnen, ständig mit ihren Nachbarn kommunizieren und auf eine Grundstruktur für die Nahversorgung, Ausbildung und Aufenthaltsqualität angewiesen sind. Hier kann mit einfachen Mitteln ein ständiger Austausch zwischen Bürgern*innen und den Parteien hergestellt werden. Demokratie findet nicht nur bei den Wahlen alle vier oder fünf Jahre statt. Dies gelingt aber nur, wenn die Parteien für diesen Austausch offen sind. Aber die Bürger*innen müssen die Parteien auch in Anspruch nehmen. Sei es als Berater oder als Mitglied. Warum nicht Mitglied in einer politischen Partei werden? Gelingt dies, wird ein Argument, Politik werde nur in den Hinterzimmern entschieden, entkräftet.
Der neue Stadtrat und unser Oberbürgermeister wird daran gemessen werden, was aus den Wahlprogrammen und der Zielsetzung im Koalitionspapier realisiert wird. So ist mit Interesse festzustellen dass die schwarz-grüne Koalition eine fortschrittliche Zukunft für Düsseldorf in einer Beteiligung der Bürger und in mehr Transparenz sieht – hier – (die Seiten 81 bis 86 sollten gründlich gelesen werden). Dieser Teil des Koalitionspapieres beginnt mit folgender Feststellung: “Für die kommunale Demokratie in Düsseldorf ist die politische Beteiligung der hier lebenden Menschen unverzichtbar. Politik heißt hier nicht nur Verstärkung des Dialogs, sondern auch Öffnung zur aktiven Mitgestaltung aller Bürger*innen – und dies auch über Wahlen hinaus.“ Über die Wahlen sind wir hinaus. Packen wir es gemeinsam an!