Die Teezeremonie – im Japan-affinen Düsseldorf ist das Wort so geläufig wie Origami, Ikebana, Sushi oder Kalligraphie. Doch die wenigsten können sich einen Begriff von den rituellen Prozeduren, den Gesetzen, der Philosophie der japanischen Teezeremonie machen.
Vieles kann man nachlesen, Wikipedia führt einen ellenlangen Beitrag zum Thema, Teeräume sind zu besichtigen, man kann die Utensilien der Zeremonie in Augenschein nehmen, eine DVD vermittelt einen Einblick in den streng geregelten Ablauf – aber es gibt auch in unserer Stadt so gut wie keine Gelegenheit, als Gast einer wirklichen Teezeremonie beizuwohnen.
Im Eko-Haus in Niederkassel gibt es einmal im Monat eine Vorführung für interessierte Gäste, doch es ist eben eine Vorführung, nur das Abbild der eigentlichen Zeremonie.
»Nein, das ist alles andere als ein Kaffeekränzchen.« Kieko Petermann-Shibata, die zierliche Japanerin, lächelt beinahe verschmitzt, als sie uns Einlass zu einer »Übungsstunde« im Teeraum des Eko-Hauses gewährt. Hier wird das A und O der Zeremonie gelehrt und gelernt, eine Schulung, die sich über Jahre erstreckt. Ein Training, das jedes Mal hohe Konzentration und Hingabe erfordert.
Jede Bewegung, die Teegeräte, die karge Ausstattung des Teeraums, die Platzierung von Gastgeber und Gästen, der Aufguss des grünen Teepulvers, die minutiösen Abläufe – alle Bestandteile der Teezeremonie folgen festen Regeln. Das japanische Wort für diese Teezusammenkunft bedeutet eigentlich »Teeweg«, doch der rituelle Ablauf lässt das Wort Zeremonie mehr als angemessen erscheinen. Die klösterliche Herkunft ist allen Nuancen des Teewegs anzumerken, der ursprünglich – bereits im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung – in buddhistischen Tempeln in China praktiziert und im 12. Jahrhundert von Zen-Priestern nach Japan importiert und adaptiert wurde. Weltliche Herrscher, Kriegerkasten und vermögende Kaufleute Japans übernahmen diese Tradition, die philosophischen Grundlagen blieben stets Bestandteil der Zeremonie. Die rituellen Regeln wurden verfeinert und festgeschrieben, mehrere Denkschulen formten sie um.
Kieko Petermann-Shibata repräsentiert in Düsseldorf die Urasenke-Schule, deren Ursprünge aufs 16. Jahrhundert zurückgehen. Bei der Übungsstunde in Düsseldorf-Niederkassel unterweisen zwei Ursasenke-Lehrerinnen die Schüler. Acht Japanerinnen und zwei Deutsche – eine Studentin und ein älterer Herr – haben sich im Eko-Haus eingefunden, um sich mit den Vorschriften und Abläufen vertraut zu machen.
Frau Petermann-Shibata zeigt uns den kleinen Garten, das steinerne Wasserbecken, denn bereits hier beginnt die Teezeremonie. Die Gäste wandeln auf vorgegebenem Pfad durch den Garten, nehmen eine symbolische Handwaschung und Mundspülung vor. Danach begeben sie sich in den Teeraum, durch einen
Kriecheingang«, der Zutritt nur in gebückter Haltung ermöglicht. »Als Ausdruck der Demut«, erläutert unsere Gastgeberin.
Der Teeraum selbst ist karg ausgestattet. Der Boden ist mit Tatami-Matten aus Reisstroh ausgelegt, der einzige Raumschmuck befindet sich in der Bildnische und hat für die eigentliche Zeremonie Bedeutung: Eine Schriftrolle, die in japanischen Schriftzeichen jeweils das Thema oder Motto der Einladung zum Tee vorgibt, sowie einige wenige Blumen der Saison, kunstvoll schlicht arrangiert. Wichtiger sind die Teegeräte, die Teedose mit dem Pulvertee, der Bambusteelöffel, die Trinkschalen, der Teebesen (ebenfalls aus Bambus) zum Anrühren und Aufschäumen des grünen Tees, die Feuerstelle, der eiserne Wasserkessel, die Schöpfkelle. Alles hat seinen vorgegebenen Platz, seine präzise Funktion. An diesem Vormittag tragen alle Schülerinnen formelle Kimonos, »aber man kann durchaus auch normale Kleidung bei der Teezeremonie tragen«, versichert Kieko Petermann-Shibata.
Der grüne pulverisierte Tee – Matcha – dient zur Herstellung von »dünnem Tee« und ist Kern der Zeremonie. Bevor er aufgegossen wird, werden in der Regel kleine Speisen und Süßigkeiten gereicht. Die Teilnehmer knien auf den Tatami-Matten, Stille herrscht. Alle Bewegungen sind gemessen, werden schweigend geradezu zelebriert. Immer wieder kurze Verbeugungen. Das gilt für den Gastgeber ebenso wie für die Gäste.
Immer wieder werden die Utensilien mit einem Tuch symbolisch gereinigt. In der Tat, das ist kein Kaffeekränzchen. Der Gast bekommt die Teeschale gereicht, dreht sie in der Hand, betrachtet sie in Ruhe und würdigt damit ihre ästhetische Qualität, auch als Reverenz für den Gastgeber. Rund eine Stunde währt die »einfache Teezeremo
nie«, bis zu vier Stunden die ausführliche Form des Rituals, bei dem als weitere Zubereitung auch ein »dicker Tee« gereicht wird, der weniger getrunken als gegessen wird.
Harmonie, Hochachtung, innere Stille und Reinheit sind in der Urasenke-Schule die vier Grundpfeiler der Teezeremonie, die den teilnehmenden Mitteleuropäer in eine jahrhundertealte Tradition und in eine ganz eigene Welt entführt. Einen ersten Eindruck von dieser Welt vermitteln die Vorführungen im Eko-Haus, die einmal im Monat angeboten werden. Man muss einen Platz dafür reservieren, möglichst früh, die Veranstaltung ist Monate im Voraus ausgebucht. Informationen und Anmeldungen über die Homepage des Eko-Hauses (http://www.eko-haus.de/de).
Bernd Holzrichter