Wie jedes Jahr vergab die Kunststiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf wieder Reisestipendien an hervorragenden Studierende der Kunstakademie. In diesem Jahr entschied sich die Jury – mit Kathrin Bentele (Direktorin) und Gesa Hüwe
(kuratorische Assistenz) vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen sowie Stefan G. Drzisga und Katharina Wettwer von der Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf – für eine Klassenpräsentation und zwei Künstlerinnen, die außerordentliche und sehr eigenständige Beiträge zeigen.
Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen und die Kunst- und Kulturstiftung der
Stadtsparkasse Düsseldorf vergeben seit 1994 jährlich während des Rundgangs drei Reisestipendien an herausragende Studierende der Kunstakademie Düsseldorf. Die Stipendien sind mit insgesamt 6.000 EUR durch die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf dotiert und sollen – deshalb bewusst nicht projektgebunden – die Studierenden dabei unterstützen, ihre künstlerische Entwicklung im Rahmen einer individuell zu bestimmenden Reise erfolgreich voranzutreiben.
Die Vergabe der Reisestipendien findet bereits zum 28. Mal statt und bestätigt das nachhaltige Interesse und Engagement des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf und der Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf für die Kunstakademie Düsseldorf und ihre Studierenden.
Die ausgezeichneten und sehr eigenständigen Beiträge werden auf dem diesjährigen Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf vorgestellt:
Klasse Prof.in Trisha Donnelly
Liora Epstein (Klasse Prof.in Dominique Gonzalez-Foerster)
Amelie Karweick (Klasse Prof. Martin Gostner)
Mit ihrer für den diesjährigen Rundgang entwickelten Gruppenpräsentation konnten die
Studierenden Paula Allhorn, B A Briggs, Yvo Cho, Michael Dikta, Sarah Doolan, Alyce Ford, Jung Yun Jang, Jonas Justen, Elena Kruglova, Lukas Langguth, Jihye Lee, Úlfur Loga, Simon Mielke, Arisa Purkpong, Anna R. Winder, Max Sandfort und Kendra Katharina Witzel der Klasse Prof.in Trisha Donnelly die Jury sofort überzeugen. Noch immer mit den Auswirkungen für gemeinschaftliches Arbeiten an der Akademie durch die anhaltende Pandemie konfrontiert, entschloss sich die Klasse im Herbst vergangenen Jahres sich durch eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der analogen chwarzWeiß-Fotografie wieder einer kollektiven Arbeitsweise anzunähern. Neben der gemeinsamen Diskussion von begleitenden Texten besuchten alle Studierende den Einführungsworkshop der Leiterin des Fotolabors der Akademie und arbeiteten anschließend selbstständig in der Dunkelkammer. Bei der Rundgangspräsentation sind nun ausgewählte Abzüge von allen Klassenmitgliedern zu sehen. Ein jeweiliger Verweis auf dendie Autorin gibt es jedoch nicht: Auf eine Zuordnung von Namen und Titeln zu den jeweiligen Arbeiten wurde zugunsten einer stringenten Klassenpräsentation verzichtet. Die Limitierung auf ein einheitliches Medium, das sich viele Studierende im Workshop erst aneignen mussten, befragt neue Handlungsmöglichkeiten, Beschränkungen und Freiheiten, die mit der Anonymität und dem Verzicht auf individuelle Autorenschaft einhergehen. „Die hier gezeigten Bilder sind keine Endergebnisse, sondern geben einen Einblick in einen Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist“, so die Studierenden.
Mit ihrer Buchedition fein selektierte böse Taten I (2022) verhandelt Liora Epstein Schilderungen von Erlebnissen und deren moralischer Einordnung in „gute“ und „böse“ Handlungen. Der autofiktionale, als Tagebuch angelegte Text versammelt Beschreibungen aus der Perspektive eines jugendlichen,
voraussichtlich eher männlichen Charakters, der zwischen „Gut“ und „Böse“ nicht unterscheiden
kann und nur durch eine bewusste Auseinandersetzung zu einer entsprechenden Bewertung seiner Handlungen in der Lage ist. Auf eine datierte Schilderung einer „bösen“ Tat folgen jeweils spekulative und theoretische Überlegungen sowie der Versuch einer moralischen Einordnung ebendieser unter Berücksichtig verschiedener olitikwissenschaftlicher, philosophischer und religiöser Texte und Gebote. Durch gezielte Variationen bei der Wahl der Typografie, die Verwendung fast verblasster Schriftfarben oder verschwommenen, übermalten Sätzen, werden besonders heikle oder unangenehme Taten verdeutlicht, teilweise sogar unkenntlich gemacht. Epstein überzeugte die
Jury durch ihre konsequente Arbeitsweise und ihre wiederholte Auseinandersetzung mit Themen wie Macht, Demut, Moral und Ethik, die sich ebenfalls in ihren vorherigen Arbeiten wie dem Tagebuch der Bösen Taten (seit 2018) – einer Sammlung erdachter und tatsächlich ausgeführten „bösen“ Taten – oder der Videoarbeit Tagebuch der Bösen Taten 18 I (2021) wiederfinden, die Epstein bei der Schilderung einiger dieser moralisch verwerflichen Handlungen zeigt.
In ihrer künstlerischen Praxis setzt sich Amelie Karweick mit der Dekonstruktion und Neubewertung etablierter Ordnungssysteme auseinander. Ihre ortsspezifische Arbeit Survey of Land (2022) beruht auf einem modularen System aus gefalteten Metallplatten, die für den Rundgang entlang der Wände einer Raumecke verlegt wurden, aber aufgrund ihrer identischen Maße eine Vermessung unterschiedlicher Räume ermöglichen. Sowohl visuell als auch materiell forciert Karweick bei der Bearbeitung des Materials gezielt formale Brüche, die der Produktionslogik industriell gefertigter Modularsysteme entgegenstehen. Alle Einzelteile der Arbeit sind von Hand zugeschnitten, die
Oberflächen mit Hitze bearbeitet, sodass besondere Farbverläufe entstehen, die an die Materialität von Pappkarton erinnern. Durch die Eingriffe in seine Beschaffenheit scheint das Metall seiner Robustheit beraubt, stattdessen tritt eine besondere Fragilität in den Vordergrund: Ecken sind geknickt, fast ausgefranst, es gibt Löcher, die teilweise ausgebessert wurden. Ein besonderes Interesse Karweicks gilt auch jenen Artefakten, die unerlässlich für die Produktion und den Transport von (künstlerischen) Arbeiten sind. In Reconfiguring support structures (2022) verhandelt sie die skulpturale Qualität und Funktionalität von Transport- und Trägersystemen, die sonst meist hinter
den Kulissen des Ausstellungsraums verschwinden. Die zwei präsentierten Metallboxen sind aus jeweils drei Modulen hergestellt und stützen einander so, dass sie ohne weitere Befestigung im Raum stehen können – das Transportbehältnis wird selbst zur Skulptur