von Ulrich Brzosa
Für die meisten Düsseldorfer ist die Ecke Schadowstraße/Tonhallenstraße einfach nur der Karstadt. Dass der Karstadt mit der Tonhalle einen Vorgängerbau hatte, wissen aus eigenem Erleben nur noch wenige Düsseldorfer. Dass die Tonhalle mit dem Geislerschen Gartenlokal auch einen Vorgängerbau hatte, weiß aus eigenem Erleben kein Düsseldorfer mehr.
Bis zur Besetzung der Stadt durch französische Truppen 1795 war Düsseldorf von starken Festungsbauwerken umgeben. Innerhalb der Festung lagen die heutige Altstadt und Carlstadt, davor die Außengemeinden Golzheim, Derendorf, Pempelfort, Flingern, Bilk und Hamm. Während die Alt- und Carlstadt dicht besiedelt waren, lebten in den Ortschaften vorden Stadttoren nur wenige Menschen. Die einzelnen Quartiere der Stadt waren untereinander durch Straßen verbunden, die außerhalb der Kernsiedlungen allerdings kaum bebaut waren und daher den Charakter einer Landstraße hatten.
Eine dieser „Landstraßen“ war der Flinger Steinweg (heute Schadowstraße), der am Flinger Tor (heute Heinrich-Heine-Platz) begann und über den Wehrhahn bis nach Flingern und Grafenberg führte. Der vielfach kolportierten Behauptung, der Flinger Steinweg sei von Kurfürst Jan Wellem im 17. Jahrhundert gepflastert worden, steht entgegen, dass die Straße noch um 1850 mit unbefestigtem Kies und Basalt belegt war. Ob die Bezeichnung Flinger Steinweg vom „Blauen Stein“ (blutigen Stein) abgeleitet war, wie gelegentlich behauptet wird, bleibt ungewiss. Der „Blaue Stein“ war kein realer Stein, sondern eine Allegorie für einen Gerichtsort am Hunsrücken, auf den die Straße einst zulief. So dunkel die Herleitung des Straßennamens ist, so dunkel ist die frühe Geschichte der Straße.
Erst mit Beginn des 18. Jahrhunderts werden die Konturen der wichtigen Verbindungsstraße von Düsseldorf nach Gerresheim und ins Bergische Land deutlicher. Zu dieser Zeit war der Flinger Steinweg bereits ein Hotspot für alle Düsseldorfer Gartenfreunde. Wer in der Alt- oder Carlstadt lebte, konnte alle Vorzüge des Stadtlebens genießen, musste allerdings auf den eigenen Garten vor der Haustür verzichten. Hierzu fehlte innerhalb der umfestigten Stadt wegen des verdichteten Geschosswohnungsbaus einfach der Raum. Vor den Mauern hingegen war Platz satt. Heute kaum vorstellbar: Wer von der Altstadt aus durch das Flinger Tor trat, stand mitten im Grünen. Mitten im gepflegten Grünen. Vom Flinger Tor bis zum Wehrhahn reihten sich links und rechts des Flinger Steinwegs wie an einer Perlenschnur die Gärten des mal gehobenen, mal intellektuellen Bürgertums. Auf den Düsseldorfer Stadtplänen vor 1815 wirkt der Flinger Steinweg wie der Hohlweg durch eine Schrebergartenkolonie. Die Düsseldorfer Vorstadtgärten waren jedoch alles andere als ein Vorläufer der deutschen Kleingartenkultur des späten 19. Jahrhunderts mit Vereinssatzung, Laube, Geräteschuppen und Gemüsebeet. Die Gärten am Flinger Steinweg waren reine Lust- und Wandelgärten und dienten der Düsseldorfer Hautevolee als prestigeträchtige Rückzugsorte, um der Enge der umfestigten Stadt zu entfliehen.
Wer nachspüren möchte, wie das Düsseldorfer Bürgertum im Zeitalter des Spätbarocks sich am Wochenende entschleunigte, braucht heute nur durch den Malkastenpark in Pempelfort zu gehen. Der parkähnliche Garten des Düsseldorfer Künstlervereins geht auf die Familie Jacobi zurück.
Jacobis Garten war ein angesagter Treffpunkt
Der Düsseldorfer Kaufmann Johann Conrad Jacobi, der „in behaglichem Wohlstand“ lebte, erwarb 1747 „ein bedeutendes Grundstück“ südlich des Jägerhofes, um hier einen Garten anzulegen. Sein Sohn gestaltete die barocke Anlage in den 1770er Jahren zu einem Kunstgarten im englischen Landschaftsstil um. Neben der noch heute erhaltenen Allee wurden Obstbaumhaine, verschlungene Wege, mehreren Düsselbrücken und ein Teich angelegt. In Düsseldorf war Jacobi’s Garten der angesagteste Treffpunkt für literarisch und politisch Interessierte, wo auch ein Johann Wolfgang von Goethe und ein Wilhelm von Humboldt gerne mal vorbeischauten.
Das Gartenidyll vor dem Flinger Tor war nicht von Ewigkeit. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts veränderte sich der Charakter des Steinwegs rasant. Nach Schleifung der Düsseldorfer Festungswerke im Jahre 1806 war der Flinger Steinweg die erste außerhalb der Altstadt liegende Straße, die schon im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts durchgängig bebaut war. Bis zur Entfestigung standen hier nur Gartenlauben, ein paar Lusthäuser und ein dutzend Schenken und Wirtschaften. Wer heute über die Schadowstraße schlendert, kann sich kaum vorstellen, dass die Wiege der vielbesungenen Längsten Theke der Welt nicht in der Bolkerstraße sondern am Flinger Steinweg stand.
Der Ursprung der längsten Theke der Welt
Mit den Lustgärtnern hatten sich auch Wirtsleute vor den Toren der Stadt niedergelassen, um die Düsseldorfer Sonntagsausflügler mit Speisen und Getränken zu versorgen. Spätestens
gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Wirtshauslandschaft hier so dicht, dass der Flinger Steinweg durchaus als die erste Amüsiermeile von Düsseldorf bezeichnet werden kann. Neben einfachen Schenken für Fuhrleute gab es familienfreundliche Gartenlokale für das bürgerliche Publikum und verschiedene Etablissements für Tanz und Unterhaltung.
Ein „alter Düsseldorfer“ erzählte 1938 in einem Düsseldorfer Wochenmagazin: „Am Steinweg trank der Düsseldorfer sein Bier, gingen die Jungen und Mädchen zum Tanz, wickelte sich der damalige Fremdenverkehr ab.“ Die Namen wie auch die Geschichte und Geschichten der Lokalitäten am Steinweg sind heute in völlige Vergessenheit geraten. In alten Düsseldorfer Zeitungen findet man Annoncen von „Kirschbaums-Garten“, „Heymanns-Garten“, „Jansens-Garten“, „Schultens-Garten“, „Volkmanns-Garten“, der „Wilhelmsburg“ oder der „Petersburg“. Alle genannten Wirtschaften lagen am Steinweg. Wo genau, lässt sich heute nur noch für das Gartenlokal des Düsseldorfer Weinhändlers Jansen sagen. Es lag genau dort, wo sich heute das Warenhaus Karstadt erhebt.
Wann das 1786 erstmals bezeugte Vergnügungslokal am Wehrhahn eröffnet wurde, liegt im Dunkeln der Geschichte. Zu Beginn der preußischen Zeit verfügte es bereits über einen großen Konzert- und Tanzsaal und gehörte neben Schultens-Garten und der Petersburg zu den meist besuchten Lokalen am Steinweg. Ein Düsseldorfer Kolumnist schrieb 1892: „Das Jansen’sche Lokal bildete schon im Anfange unseres Jahrhunderts den Hauptanziehungspunkt unserer musikalischen Welt. Es war hier vor Allem die rühmlichst bekannte Capelle der Gebrüder Alexander aus Duisburg, die durch ihre vorzüglichen Concerte das Publikum anzog. Ein bestimmtes Eintrittsgeld wurde nicht erhoben, sondern wie dies noch lange nachher in Düsseldorf üblich war, machte nach ländlichsittlicher Weise einer der Musikanten mit dem Teller die Runde, wie dies auch bei der von genannter Capelle in diesem Lokale gespielten Ballmusik geschah“.
Kaiser Napoleon empfing die Unterhaltungscombo der Gebrüder Alexander
Die „Gebrüder Alexander“ waren um 1800 am Niederrhein eine viel gebuchte Unterhaltungscombo. Während Napoleons Anwesenheit 1811 wurde den fünf Gebrüdern die Ehre zu Teil, „auf dem Jägerhofe von dem Kaiser huldvollst empfangen zu werden“. 1816 wurde der Jansensche Garten von Anton Becker übernommen. Als der Düsseldorfer Musikdirektor August Burgmüller am 10. und 11. Mai 1818 „im vormaligen Jansen’schen Saal bei Anton Becker“ mit fast 200 Sängern und Instrumentalisten die „Schöpfung“ und die „Jahreszeiten“ von Joseph Haydn Folgen „der zweite große musikalische Verein am Niederrhein“ für die Düsseldorfer Musikgeschichte haben sollte. Ohne die beiden Aufführungen, zu denen der „Musikalische Verein am Niederrhein“ eingeladen hatte, würde es in Düsseldorf heute keinen Musikverein und keine Tonhalle geben.
Die Geburtsstunde des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf
Um den Erfolg des Festivals von 1818 fortzusetzen, schlossen sich musikbegeisterte Düsseldorfer Bürger kurze Zeit später zum „Städtischen Musikverein zu Düsseldorf“ zusammen. Der Verein richtete über viele Jahrzehnte das an wechselnden Orten stattfindende Niederrheinische Musikfest aus und prägt mit seinen Aktivitäten bis heute maßgeblich das Musikleben in Düsseldorf. Für seine Veranstaltungen nutzte der Städtische Musikverein überwiegend den Konzertsaal von Anton Becker, der Raum für rund 600 Zuhörer bot. 1830 wurde der Saal „fast um die Hälfte“ erweitert und „von bewährter Künstlerhand“ ausgestaltet.
Die Konzerte waren Volksfeste
Als Felix Mendelssohn-Bartholdy 1833 im Beckerschen Saal das Oratorium „Israel in Ägypten“ dirigierte, notierte sein Vater: „Es ist ein wahres Volksfest. Aber auch das Lokal selbst trägt viel zur eigenthümlichen Gestalt des Ganzen bei. An der Landstraße von Berlin, etwa zweitausend Schritt vor der Stadt, in einem großen schattenreichen, zu einer Gastwirthschaft gehörigen Garten, ist ein Saal von einhundertfünfunddreißig Fuß Länge, etwa siebenzig Fuß Breite und leider nur siebenundzwanzig und einen halben Fuß Höhe (offenbar zehn bis fünfzehn Fuß zu wenig) hineingebaut, ganz ohne alle und jede Verzierung und – ich erröthe – geweißt!! Es ist allerdings unbegreiflich, dass in einem geweißten Saal Musik klingen kann, aber es ist wirklich wahr. Der Saal fasst ungefähr eintausendzweihundert bis eintausenddreihundert Menschen; ein Drittheil davon ist für Orchester und Chor abgetheilt; den übrigen Theil füllen Reihen Stühle, welche aber am Boden befestigt und numerirt sind. Während der Pausen stürmt Alles in den Garten, Massen von Butterbroden, Maitrank, Selterwasser, saurer Milch usw. werden an großen und kleinen Tischen von Einzelnen und Gesellschaften verzehrt, und das Ganze sieht einer Kirmes gar sehr ähnlich. Inzwischen werden in dem Saal Thüren und Fenster geöffnet, und wenn die Luft gehörig erneut und die Pause abgelaufen ist, ertönt vom Orchester in den Garten hinein ein starker Tusch, worauf alles wieder rasch und lustig in den Saal hineinzieht; etwa Säumige oder noch Durstige ruft ein zweiter Tusch und Israel schreit wieder zum Herrn“.
Hier traf sich die Hautevolee der internationalen Sänger, Musiker und Dirigenten
Als die Räumlichkeiten 1852 von Andreas Achenbach für ein Maskenfest des Künstlervereins Malkasten “im Geschmacke des Mittelalters ausgemalt“ wurden, bürgerte sich für den Saal in der Folgezeit die Bezeichnung „Rittersaal“ ein. Nachdem Anton Becker 1847 seine Wirtschaft an den Düsseldorfer Hofkonditor Franz Geisler verkaufte, blieb der Musikverein seinem Stammlokal treu. Die Liste der Sänger, Musiker und Dirigenten, die im Beckerschen resp. Geislerschen Gartenlokal gastierten, ist lang und mit bekannten Namen gespickt: August Burgmüller, Ferdinand Ries, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Julius Rietz, Ferdinand Hiller, Robert Schumann, Julius Tausch, Franz Liszt, Johannes Brahms, Jenny Lind-Goldschmidt, Louis Spohr, Clara Schumann, Julius Stockhausen.
Der größte Saal der Stadt war nicht nur ein Konzerthaus sondern eine Multifunktionsarena. Hier fanden Maskenbälle, Kirmesfeiern, Versteigerungen, Vereinssitzungen, Kunstausstellungen,
Verkaufsmessen, Kongresse, landwirtschaftliche Ausstellungen, politische Versammlungen, Theatervorstellungen, akademische Vortragsreihen statt. Amüsierlustige, Kulturbeflissene, Revolutionäre und Weltverbesserer aller Art gaben sich bei Becker und Geisler die Klinke in die Hand.
Auch Gesundheitsapostel predigten in der Tonhalle
Im Sommer 1848 trat ein Gesundheitsapostel auf. Er nannte sich Ernst Mahner, trug ein langes Gewand, hatte wallende Haare und einen mächtigen Bart. Seine Heilslehre hatte er nach dem Vorbild von Moses in zehn Gebote gekleidet, wie Luther schlug er seine Thesen an und verteidigte sie in Vorträgen. Er wetterte gegen den Alkohol und das „stinkgiftige Schmauchkraut“ (Tabak), rühmte das Wasser und die Naturheilkunde.
Über seinen Auftritt im Geislerschen Lokal berichtete eine Düsseldorfer Illustrierte: „Der Gesundheitsapostel Ernst Mahner beglückte die gute Stadt Düsseldorf mit seiner Anwesenheit; jener Mann, der sich in leichtem Gewande bei strenger Winterkälte bei Eisgang zum ‚Erstaunen und Grauen‘ der zahlreich herbeigeströmten Zuschauer in die Fluthen des Rheines stürzte und sich munter in dem nassen Element herumtummelte“. Unter dem Titel „Das Ganze der Urgesundheitslehre“ trug der Weltverbesserer im Geislerschen Saal an sechs Abenden seine Thesen vor. Zur Ankündigung der Veranstaltung war in den Düsseldorfer Zeitungen folgende Annonce geschaltet: „Ernst Mahner’s Vorlesungen für edle, hochgesinnte Männer, Frauen, Jünglinge und Jungfrauen über die wiederaufgefundene angeborene Gesundheitskunst, eine Heilsbotschaft für die gesammte Menschheit beginnen mit der Austheilung der goldenen Gesetztafeln der Urgesundheitskunde an alle Anwesenden, wozu Herren und vorzüglich auch Damen mit dem Aufruf und der dringenden Bitte um einstweiligen Glauben an die Hochwichtigkeit der Sache brüderlich ehrerbietigst eingeladen werden“. Ob der Urgesundheitsapostel in Düsseldorf neue Anhänger für seine Lehre fand, ist nicht bekannt.
In den Versammlungen der Revolutionäre um 1848 ging es stürmisch zu
In den Revolutionsjahren 1848/49 ergriffen Revolutionäre und Konterrevolutionärer aller Couleur im Geislerschen Garten das Wort. Die Zusammenkünfte der revolutionären Parteien verliefen immer stürmisch. Über eine Versammlung mit Ferdinand Lassalle berichtete das Düsseldorfer Journal am 17. November 1848: „In der gestrigen von mehr als 1200 Theilnehmern besuchten Volksversammlung im Geislerschen Saale entstand zuerst eine heftige Debatte über die Steuerverweigerung; nach geschlossener Discussion einigtensich die Redner dahin, eine Adresse an die Nationalversammlung in Berlin zu schicken, die Bürger Düsseldorfs ersuchen die hohe Versammlung im Falle sie es für nöthig fände, die Steuerverweigerung sofort auszusprechen‘.
Der zweite Beschluß ernannte eine Commission von fünfzehn Mitgliedern zur Beschaffung von Waffen für diejenigen Mitbürger, deren Mittel es nicht gestatten, sich zum Eintritt in die Bürgerwehr selbst auszurüsten. Zum Schluß der Verhandlungen erklärte Herr F. Lassalle im Namen des Volksklubs, daß er sich genöthigt sehe, dem Gerüchte, als wolle der Volksclub die gegenwärtige Krisis zum Wirken für die rothe Republik ausbeuten, entschieden zu widersprechen“.
Ein abwechslungsreiches Programm öffnete das Fenster zur Welt
Wie abwechslungsreich das Programm bei Geisler war, zeigte der Weihnachtsmarkt 1848. Die Revolution war noch im vollen Gange, da wurde im Saal für eine Woche das Fenster zur Welt geöffnet. Kurz vor Weihnachten fand im Geislerschen Lokal ein Spektakel nach Art der alljährlich im Krollschen Etablissement in Berlin arrangierten Ausstellungen statt. Die Dekoration war „einzig schön und verfehlte nicht, auf die zahlreichen Besucher einen überaus prächtigen und nachhaltigen Eindruck auszuüben“. Unter einem großen mit Transparentblumen geschmückten Sternenzelt mit magisch beleuchteter Gartengrotte „lachten in höchst geschmackvoll getroffenen Arrangements die verschiedenartigsten Dinge bis hinauf zu den hochelegantesten, kostspieligsten dem Beschauer entgegen, ihn zu regem Kaufe anregend“. Im Hintergrund des Zeltes konnten die Besucher die Aussicht auf den Bosporus, Konstantinopel und die Dardanellen mit wandelnden Figauren, Segelschiffen und bewegter See genießen. Dabei brachte ein „vollständig besetztes Orchester“ im Hintergrund verschiedene Tonstücke zur Aufführung.
Der Flinger Steinweg wurde zur Schadowstraße
Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt der Geislersche Saal eine neue Anschrift. Aus dem Flinger Steinweg wurde die Schadowstraße. Am 25. November 1851 beschloss der Düsseldorfer Stadtrat, „zur Erinnerung an den 25. Jahrestag des Amtsantrittes des Direktors der hiesigen Kunstakademie Herrn Dr. Wilhelm von Schadow und in dankbarer Anerkennung der vielfachen Verdienste desselben um unsere Stadt, die seither ‚Steinweg‘ genannte und vom ihm bewohnte Straße vom Flingerthore bis zur Jacobistraße ‚Schadowstraße‘ zu benennen“. Das von Wilhelm Schadow 1838 am Steinweg errichtete Wohnhaus Nr. 56 lag an der Einmündung der Bleichstraße und wurde nach seinem Tod vom Maler Andreas Achenbach erworben.
Seit dem Gesang-Wettstreit 1852 heißt der Konzertsaal Tonhalle
Um dem wachsenden Bedarf und den gestiegenen Ansprüchen bei musikalischen Aufführungen gerecht zu werden, ließ Franz Geisler 1852 in seinem Gartenlokal neben dem Rittersaal „eine mächtige Bretterhalle“ errichten, die, „nachdem sie auf ihre Akustik geprüft und als in jeder Beziehung zweckentsprechend befunden wurde“, den Namen „Tonhalle“ erhielt. Die Kosten für die Halle trugen zu zwei Drittel Franz Geisler selbst, zu einem Drittel der Städtische Männergesangverein Düsseldorf, der einen „Gesang-Wettstreit für Deutschland, Belgien und Holland“ veranstaltete und hierzu eine größere Konzerthalle benötigte.
Am 30. April 1852 vermeldete das Düsseldorfer Journal: „Herr Geisler hat bekanntlich einen Neubau in seinem Garten herzustellen übernommen. Nachdem verschiedene Pläne zu dem Gebäude gemacht waren, ist jetzt beschlossen worden, die große Sängerhalle in Arnheim als Muster zu nehmen, und das neue Lokal unmittelbar an den jetzigen großen Saal anzubauen, so zwar, daß die rechte Wand in gerader Linie an die des alten Saales anschließt, die linke dagegen soviel, als der neue Saal breiter wird, in den Garten vorspringt. Das Mittelschiff der neuen Sängerhalle wird 40 Fuß breit, die Seitenschiffe je 20 Fuß breit und die Länge des Ganzen soll sich ausdehnen, daß für etwa 5000 Personen Raum im Innern ist“. Folgt man der Beschreibung, lag der Giebel des aus Holz
gezimmerten und mit Brettern verschalten Saal am Steinweg und die Langseite an der späteren Tonhallenstraße. „Die Einrichtung ist in allen Theilen überaus zweckmäßig“, berichtet eine zur Eröffnung erstellte Festschrift, „und entspricht durchweg allen Anforderungen, die man an ein solches Gebäude machen kann. Die Halle gewährt in ihrer inneren Einrichtung einen imposanten Anblick. Über dem Haupteingange zeigen sich in geschmackvoller Trophae die Wappen unseres Königshauses und Sr. Hoheit des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. Die im Hintergrunde errichtete Tribüne ist mit dem preußischen und städtischen, so wie mit dem Wappen des Männergesang-Vereines und der Künstlergesellschaft ‚Malkasten‘ geziert, sie zeigt die Embleme der Musik, der Poesie und der bildenden Künste, die Namen der Heroen derselben und bewähren den Ciceronischen Ausspruch ‚habent artes commune quoddam vinculum et cognatione quasi inter se
continentur‘ (haben die Künste sozusagen eine gemeinsame Verbindung und werden gleichsam durch eine Art von Verwandtschaft untereinander zusammen gehalten)“.
Etwa zeitgleich mit dem Bau der Tonhalle wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Jacobistraße, die bislang in den Flinger Steinweg mündete, über die heutige Schadowstraße bis zur Oststraße verlängert. Die Offenlegung der neuen Straße, deren Planung bis in das Jahr 1841 zurückreicht, dauerte mehrere Jahre. Den heutigen Namen „Tonhallenstraße“ erhieltdie Straße erst 1871. Bis zur Umbenennung bildete sie die nördliche Oststraße.
Fortsetzung (Teil 2) in der nächsten Ausgabe