Von fremden Ländern in eigenen Städten

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Ladenlokal an der Charlottenstraße
 Das legendäre koreanische »Finanzämtche(n)« an der Oststraße
 Das traditionelle »Korea-Haus«
 »Mittelamerikanische Verkehrsinsel«, Arbeit von Tita Giese am Stresemannplatz
 Antiquitätenhandel an der Bismarckstraße
 Griechische Kommunionswaren auf der Bismarckstraße

 Glockenspiel am Gerhart-Hauptmann-Haus

Ein künstlerisches Projekt für das Bahnhofsviertel Düsseldorf, 2017–2018
Städte waren schon immer ein Schmelztiegel verschiedenster Interessengruppen, Menschen und Lebensformen. Die Metropole oder Weltstadt hatte immer vor, die Welt an einem Ort abzubilden. So hat jede dieser Städte, die etwas auf sich hält, noch heute ein »Chinese Quarter«, ein »Quartier Latin«, oder ein »Little Italy«.

Hier trifft die Welt auf regionale und lokale Färbungen und Interessen. Hier organisieren sich Kulturen aus aller Welt mit ihren Märkten und kulinarischen Treffpunkten, Kulturvereinen und Kirchen, mit ihrer Alltags- und Hochkultur zu kompexen Quartieren einer gelebten Multikulturalität.Das Bahnhofsviertel hatte dabei schon immer eine besondere Funktion für die Stadt. Es bildet den Empfangsort der Städte und ist das Tor zur Welt. Hier kommen Menschen aus den verschiedensten Ländern an – Touristen und Geschäftsleute, Reisende und Besucher, aber auch Menschen, die eine neue Heimat suchen. Das Bahnhofsviertel ist eine Übergangszone vom Internationalen zum Lokalen, von der Welt zur Heimat, vom Fremden zum Eigenen.

In den Zeiten des Aufbruchs und der großen Forschungsreisen war es ein prominenter, optimistischer Ort. Die alten Bahnhofshallen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zeigen noch heute ihre Verbindungsfunktion zwischen Stadt und Welt. Heute ist das Bahnhofsviertel problematischer geworden.
Als Empfangs- und Übergangsort beherbergt es viele Nutzungen für die andernorts in der Stadt kein Platz vorgesehen ist. Die klassischen Rotlichtviertel sind zwar auf dem Rückzug, trotzdem finden sich weiterhin verschiedenste Klientelen, die die Anonymität im Umfeld des Reisens suchen.

Neben diesen einschlägigen Nutzungen hat sich rund um den Bahnhof aber auch eine bunte Mischung multikultureller Prägung etabliert, die einem heute in manch anderem, sozial wohlsortierten Viertel fehlt. Auch wenn das Bahnhofsviertel in Düsseldorf oft zu Unrecht keinen guten Ruf genießt, gehört es doch klar und deutlich zu den vielfältigsten Vierteln der Stadt, geprägt durch ein vitales und spannungsreiches Miteinander zwischen einheimischen Wohnlagen, japanischen Hochgenüssen, griechischen Cafés, marokkanischen Märkten und allerlei internationalen Engagements. Gerade hier, wo der internationale Fair verschiedenster Kulturen seit geraumer Zeit mit kulturellen Pionieren in Atelierhäusern und Veranstaltungsräumen zusammentrifft, die seit kurzem auch durch Highlights wie das Schauspielhaus, das Tanzhaus NRW oder das Literaturbüro im Gerhart-Hauptmann-Haus ergänzt werden, liegt das eigentliche, kreativ-kulturelle Herz der Stadt.

Das Projekt »Von fremden Ländern in eigenen Städten« möchte genau diese versteckten Qualitäten des gesamten Bahnhofsumfelds ergründen und der ganzen Stadt zeigen. Als künstlerisches Projekt mit den Sparten Bildende Kunst, Literatur, Theater, Tanz und Film begibt es sich im Jahr 2017 auf eine Forschungsreise rund um den Düsseldorfer Hauptbahnhof. In öffentlichen Führungen und Treffen, Diskussionen und Stadtrundgängen, mit kleinen Veranstaltungen im Stadtraum und bei lokalen Anliegern suchen wir die besonderen Orte und Akteure der verschiedenen Viertel, die ihnen ihren besonderen Reiz geben und ihre Qualität ausmachen. Ob Restaurant oder Kulturverein, Hinterhofatelier oder Konditorei, Cocktailbar oder Waschsalon – uns interessieren die besonderen Menschen der Viertel und ihre Ideen, Innovationen und Orte.

Im darauffolgenden Jahr 2018 zeigt das Projekt dann in einer großen Ausstellung im ganzen Bahnhofsumfeld, wie man die verborgenen Qualitäten der verschiedenen Quartiere sichtbar machen kann. Mit künstlerischen Arbeiten im öffentlichen Raum, aber auch Theaterproduktionen, Tanz- und Musikveranstaltungen entsteht ein großes Festival, in dem sich das Viertel als einer der spannendsten, vielfältigsten Orte der Stadt zeigt. Auf Straßen und Plätzen, aber auch in Geschäften und Häusern der Anlieger, in Cafés und Restaurants, in den anliegenden Institutionen oder öffentlichen Gebäuden finden Kunst- und Kulturereignisse statt und führen die Besucher durch die einzigartigen Viertel des Gebiets. Die Aktionen und Kunstwerke verknüpfen all die attraktiven und besonderen Aktivitäten der Anlieger zu einer Choreografie, die die Quartiere verbindet und ganz neu erlebbar macht.

Gut vorstellen kann man sich das am Innenstadtquartier zwischen Karlstraße und Berliner Allee. Das Viertel gilt als Übergangszone zwischen Bahnhof und Kö. Augenscheinlich vom Bahnhof aus nicht sonderlich einladend, findet sich bei näherer Betrachtung eine Vielzahl großartiger Aktivitäten und Engagements. Ein Spaziergang über die Friedrich-Ebert-Straße zeigt das. Nach jeder Menge Leerstand gleich gegenüber dem Bahnhof bietet sich nach der Kreuzung mit der Karlstraße ein ganz anderes Bild.

Im Gerhart-Hauptmann-Haus residiert seit Neustem auch das Literaturbüro NRW, einige Meter weiter trifft sich die griechische Community in verschiedenen Geschäften, Restaurants und Cafés wie dem Byzantio, einer faszinierenden Konditorei zwischen süßen Träumen und lockeren Gesprächen. Kurz danach kann man wie fast überall im Viertel wunderbar den kulinarischen Traditionen der asiatischen Küche folgen. Das »Korea-Haus«, das schon etliche Jahre mit traditioneller koreanischer Küche lockt, oder japanische Restaurants wie das »Kagaya« oder das »Nagomi« gehören schon zu den Klassikern der Straße. Der neu eröffnete Grill mit Holzkohlefeuer kurz vor der Oststraße oder das legendäre »Finanzämtchen« runden das kulinarisch vielfältige Programm ab.

Dazwischen organisiert sich eine bunte Mischung von Geschäften zwischen griechischer Kommunionskultur, Reisebüros, Änderungsschneidereien und Second-Hand-Shops.

Bei allen Problemen, mit denen sich die Anlieger hier beschäftigen müssen, zeigt die Straße doch eines ganz deutlich: auch wenn es für den Passanten (noch) nicht unbedingt sichtbar ist, verbirgt sich hier ein vitales, faszinierendes Viertel, dessen Anlieger mit ihren Mitteln versuchen, im Herzen Düsseldorfs einen lebendigen Ort des Miteinanders verschiedenster Kulturen zu schaffen, das eine Menge zu bieten hat.
Genau wie diese Stadtteilzeitung will unser Projekt diese Aktivitäten unterstützen und mit künstlerischen Projekten dazu beitragen, dieses Viertel erlebbar zu machen. Ob durch künstlerisch-kulinarische Reiseführer oder Ausstellungen an besonderen Orten des Viertels, ob durch Konzerte in den großartigen Cafés oder Bars oder Installationen auf markanten Plätzen, ob in Zusammenarbeit mit den Menschen im Viertel oder einer Theateraufführung auf seinen Straßen: das Projekt »Von fremden Ländern in eigenen Städten« kommt zu ihnen und nimmt uns alle mit auf eine faszinierende Reise in unsere eigene Stadt.

Markus Ambach
[email protected]
Foto: Markus Ambach

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