„Kikaku“ macht zu. Und „Roberts“ auch. Ein Paukenschlag.

0
2437

von Dieter Jäger

Dieter Jäger ist Zeitzeuge und Mitbegründer der Düsseldorfer Geschichtswerkstatt

Eine Epoche geht zu Ende. Die Alten danken ab. Kikaku prägte das Japanviertel, Roberts war der Höhepunkt schlechthin.

Die Japaner kamen 1950 mit Mitsubischi.Der “ Schreibtisch des Ruhrgebiets“ zog sie an, in der Mitte Westeuropas. Alles begann mit Säbelgerassel im „Daitokai“, Hunsrückenstraße. Wir saßen am Boden, eingequetscht, Stäbchen in der Hand. Über uns gefährliche Messerspiele der japanischen Köche.

Als Tamms 1960 die winzige Immermannstr zu einer vierspurigen Baumallee machte, übernahmen die Japaner diese Straße am Hauptbahnhof, so, wie sie später Straßen in der Nähe des Flughafens suchten. Ihr Hotel Nikko mit „Benkai“ wurde Hauptquartier. Berühmt wurde es, als der Bösewicht Schimanski im Film „die Katze“ hier vom Dach stürzt. In der kleinen parallelen Klosterstraße saßen ihre Restaurants. Und immer war Kikaku hier, das älteste und beste. An dem Ort, an dem über hundert Jahre die Eleven der Urschulen Humboldt und Scholl schwitzten und der Gashersteller Sinzig Teere und Öle verbrannte, stank es so sehr, dass die Lehrer um acht Uhr früh die Straßenmitte bevorzugten, um nicht auch noch den Gestank der Bettenlüftung einatmen zu müssen. Aber genau hier sitzt 100 Jahre später Kikaku und seine Nachbarn: Naniwa, Yabase, Hyuga. Es wird ihn gekränkt haben, als der Nachbar Nagaya 2011 den Stern bekam und damit Deutschlands einziger sterngekrönter Japaner wurde. „Yoshi“ daneben (Kreuzstraße), ebenfalls von Nagaya, bekam den zweiten. Die Klosterstraße wurde neben Kikaku mit den Falkenhorsts (U das Restaurant und Nenio) zu einem kleinen Wunderland der Gourmets. Langsam gewöhnten wir uns neben Sushi und Tempura an neue wundersame Namen: Nigiri, Dashi, Sashimi, Wir übten so lange, bis sie uns wie latte machiato über die Zunge gingen.

Ein langer Weg von den Fresswellen nach dem Krieg bis heute: Im „Fischl“, Blumenstraße, wurden wir zum ersten Mal satt. Nasigoreng hieß das erste fremde Wort, beim Chinesen in der Tonhallen- oder Grabenstraße. Die Italiener entdeckten wir bei Sansone Schlosstraße. Jedes neue Ferienland brachte eine neue Welle mit: die Jugos, die Griechen, die Türken, die Spanier (erst, als sie die Tapas einsetzten). Bis Japan kamen wir nicht.

Adieu Robert! Man muss das wie Robäär aussprechen, dann ist es richtig traurig und französisch. Robäär war für uns der Höhepunkt schlechthin. Er pfiff auf die Sterne des Reifenhändlers, so wie wir es auch taten. Er war der einzige richtige Franzose: ungemütlich eng, Spiegel an der Wand, Papiertischdecken mit der Rechnung drauf. Die Küche, auf kleinen Schreibmaschine Seiten präsentiert, war genial. Hülsmann nahm, wie die Japaner es mit dem hässlichen Bahnhofsviertel getan hatten, das hässliche Hafenviertel, als es noch keinen Medienhype gab.

Die Brückenstraße führte seit 1870 zur Brücke, sonst gab es da nichts. Ja, einen kleinen Weg noch am Ufer (die Ufer-später Stromstraße), da war seit 1890 die fauchende Eisenbahn am Verbrecherhaus „Schneidmühl“ vorbeigefahren. Wir wohnten in den 70igern in der Stromstraße mit weitem Vorgarten, aber in Wirklichkeit war der Vorgarten nur der Hinterhof der alten Brückenstraße, nur dort gab es Häuser. Nebenan servierte 1978 die busige Nana in der „Nana“ den besten Kaffee. Sie hatte als erste die Palme im Zimmer. Man musste sich entscheiden: Palme hieß bester französischer Kaffee, aber kein Kuchen, zum Kuchen musste man zu den Pelztanten auf der Kö, dafür gab es dort nur elenden deutschen säuerlichen Kaffee im Kännchen.

Als 1997 die Medien kamen, wurde alles hip oder shabby chic. Die Düsseldorfer lieben so was: Direkt neben dem Sozialbau und der abgewrackten Tankstelle in der Lippestraße das Highlight OGehry, die ungesunden fetten Pommes im „Curry“, gerne mit Gold umrahmt, und besonders toll: mitten in der Mülldeponie das schwarz angestrichene „Minol“ mit den schwarzen Manga Mädchen. Jetzt war es vorbei mit dem Zirkus „Pomp and Ducks“ in der Speditionsstraße, mit den Jazztumulten sonntags bei Maaßen, vorbei mit dem alten Zollhaus und seinen Ausstellungen, vorbei auch die Show der „Sieben Sinne“ im Ruinenbau der Spinnerei Bockmöhl, wo wir zum Schluss den Berührsinn erforschten:  blindfolded die Arme in einen tiefen Schlauch: waren es feuchte Frösche oder zarte Brustspitzen?

Hülsmann liebte das alles, die alte und die neue Hafenzeit.

Ich liebte ein paar Häuser weiter die „Hafenbar“ mit der Roten Laterne und dachte an die Kinderzeit zurück, als ich Seemann werden wollte. Ich sang all die Schnulzen der 50iger vom alten Seemann“ kann nachts nicht schlafen“ bis „nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise“. Ich war Seemann, ich war Kapitän, vor mir zwar nur ein erbärmlicher, nach Öl stinkender Hafen, aber für mich war dieser kleine Hafen das große Meer.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein