Eine Ambulanz mit sozialer Mission

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Serie: Die Drogen und die Folgen im Viertel

Wir leben gerne in unserem internationalen Viertel. Einträchtig zusammen mit fast 15.000 Menschen aus 148 Nationen auf engem Raum von nur 1,3 Quadratkilometer. Trotzdem wird manchmal der gesellschaftliche Zusammenhalt auf die Probe gestellt. Zum Beispiel durch die Nutzer des Worringer Platzes. Dies liegt nicht an der Gestaltung des Platzes, wie manche Vertreter aus Politik und Verwaltung vorgeben. Es liegt daran, weil ein grundlegendes Problem unsere Gesellschaft von der Politik und Verwaltung nicht professionell genug angegangen wird. Es geht um das Drogenproblem unter der jetzigen Gesetzeslage. Wir publizieren zu dieser Thematik Artikel, die sich aus unterschiedlichem Blickwinkel mit diesem Thema befassen. Erschienen sind bislang: Ein Platz, den keiner will wie er ist. Trotzdem ändert sich nichts! Wieder: kein Platz am Worringer Platz ,  Drogenhilfe // Ein Interview mit Michael Harbaum und Das Bahnhofsviertel // Ein Interview mit Dr. Tim Lukas

von Melissa Christov

Als Thomas sich 2004 dazu entschloss eine Nase Heroin zu sniffen, war es sommerlich warm. Er wollte es mal ausprobieren, hatte mal von dem großartigen Gefühl der Überlegenheit gehört. Es waren nicht seine Freunde oder die damalige Freundin, die ihn überredeten, denn die hatten doch nichts mit Drogen zu tun. Damals war er Disponent in einem Taxi Unternehmen und alles lief soweit ganz gut. „Das erste Mal war irre. Dieses Wohlbefinden, die Glücksgefühle, ich war total begeistert. An diesem sommerlichen Tag im Jahr 2004 ging ich joggen, fuhr mit dem Rennrad und schwamm in Bestzeit.“

Sechs Jahre später arbeitet Thomas im Café der Diarmorphin-Ambulanz mitten im Düsseldorfer Zentrum. Die Bendemannstraße 15 ist eines der seltenen 14 Standorte dieser Art in Deutschland. Hier erhalten rund 200 Patienten nach Bedarf dreimal am Tag zu festen Uhrzeiten reines Heroin. Aber nicht nur das, sondern ebenso eine psychosoziale Betreuung, allgemeinärztliche sowie neurologische Behandlungen. Sie können unten im Café Kicker spielen, Bücher lesen oder einfach da sein. Verteilt auf drei Etagen zieht sich ein moderner Interior Stil durch. Großleinwandbilder von Urlaubsmomenten zieren die weißen Wände, die Praxis Bepflanzung unterstützt die Atmosphäre.

„Wir möchten raus aus der Schmuddelecke. Dies ist eine Arztpraxis, eine Ambulanz für Menschen mit Suchterkrankung.“, erklärt uns Claus Lamprecht, Mitinhaber der Praxis, während er uns durch die 2. Etage, dem Applikationsraum führt. „Es gibt ein farbliches Nummernsystem, welches unsere Patienten bereits unten im Café verteilt bekommen. Durch eine Lautsprecher Ansage rufen wir unsere Patienten in achter Gruppen hoch in den Applikationsraum. Je nach Art der Injektion dürfen die Patienten zwischen dickeren, dünneren, längeren oder kürzeren Spritzen auswählen. Soll der Schuss in den Muskel gehen, bietet sich eine längere Spritze an.“, erklärt Claus Lamprecht.

Maximal fünfzehn Minuten haben die Patienten für die Injektion und um einige Minuten mit der Wirkung zu verweilen. Danach wird die Spritze abgezogen und in einem stichsicheren Behälter direkt am Platz entsorgt. Der Raum macht einen klinischen Eindruck. In einer Ecke gibt es einen Wasserspender, in der anderen ein Sauerstoffgerät.

„Hier im Raum befindet sich immer eine Mitarbeiterin, die im Ernstfall eingreifen kann. All unsere Mitarbeiter sind für jeden Fall gebrieft. Wir haben regelmäßige Notfallschulungen für jeden Mitarbeiter/in. Ab und zu kann es passieren, dass es durch vorherigen Mischkonsum zu einer Überdosis kommt. Gerade bei den Patienten, die zur Behandlung von Begleitsymptomen Diazepam oder andere Beruhigungsmittel einnehmen. Ein Vorteil bei der Vergabe von reinem Diamorphin ist, dass derartige Situation gleich im Anschluss passieren. Hier geht keiner raus, schläft Zuhause ein und wacht nicht wieder auf. Sollte es zu einer Überdosis auf Grund voran gegangenen Mischkonsum kommen, schläft der Patienten Sekunden nach der Injektion ein, wird gegeben falls auf Grund des Sauerstoffmangels blau und kann sofort hier beatmet werden“, so Claus Lamprecht.

Wir dürfen in den Raum hinter der Scheibe. Aus einem Bild lächelt Audrey Hepburn verschmitzt. Direkt daneben, der Tresorraum. 40 cm dicker Stahl, Wärmekameras, Tapeten mit speziellen Sensoren, die vor Einbohrungen warnen, ein Sicherheitssystem, wie in einer Bank. Eine Anordnung des Gesetzgebers, passiert sei bisher nie etwas. „Die Patienten bekommen die bereits aufgezogenen Spritzen, hier im Vergaberaum wird alles soweit vorbereitet.“ „Die Vergabe von reinem Heroin ist organisch nicht gefährlich. Ich zögere manchmal, dass laut auszusprechen, aber man kann durchaus mit der Einnahme von Diamorphin 100 Jahre alt werden.“ Der Straßenverkauf ist nicht nur illegal, sondern auch lebensgefährlich. In einem ca. sieben bis zehn Euro teuren Paket Straßenheroin befindet sich nur ca. 4% reiner Wirkstoff. Darüber hinaus setzt sich ein sogenanntes „Bubble“ Heroin aus Giften, Dreck oder auch Glassplittern zusammen. „Die Glassplitter hinterlassen bei nasaler Einnahme kleine Schnitte in der Schleimwand und sorgen für eine schnellere Wirkung.“, erklärt uns Claus Lamprecht Wir gehen weiter und dürfen die Räume im dritten Obergschoss besichtigen.

Ein voll ausgestattetes Arztzimmer dient der Mitbehandlung häufiger im Zusammenhang mit der Abhängigkeitserkrankung auftretender Begleiterkrankungen. „Opiaterkrankungen sind chronische Erkrankungen und haben eine hohe Rückfallquote. Unser Therapieziel ist weniger die Abstinenz, sondern der richtige Umgang und die damit verbundene Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes. Durch die Vergabe von reinem Heroin im Zusammenhang mit unserem Betreuungsangebot möchten wir den gefährlichen Konsum von Straßenopiaten eindämmen, unseren Patienten den Umgang mit ihrer Suchterkrankung erleichtern und ihnen dadurch die Möglichkeit auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft geben“, so Claus Lamprecht und er ergänzt“ vor Allem verhindern wir damit, dass die einzige Tagesbeschäftigung, die Beschaffung einer Dosis Heroin ist.

Wir sprechen hier von einer ganzheitlichen Therapie. Anders als in Entzugskliniken, geht es um langfristige und nachhaltige Ziele.“, so Claus Lamprecht und verweist im gleichen Atemzug auf die Ergebnisse der PREMOS Studie. Hier wurden mehr als 2.600 Patienten aus 223 Einrichtungen über die Dauer von fünf Jahren begleitet. Heraus kam, dass die positiven kurzfristigen Behandlungsergebnisse einer umfassenden Substitutionstherapie weitgehend auch auf den langfristigen Verlauf übertragen werden können. (Vgl. Premosstudie, Universität Dresden, 2011) Dies ist die Voraussetzung dafür, dass normale Beschäftigungen angenommen werden. Denn die Patienten möchten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gerne eine langfristige Arbeit übernehmen. Thomas arbeitet gerne in dem kleinen Café. Zu seiner Sucht führten damals traurige Umstände. Er flüchtete in die Abhängigkeit und hat dank der Diamorphinambulanz einen Weg gefunden, damit umzugehen.

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