Wieder: kein Platz am Worringer Platz

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von Roland Ermrich

Der Worringer Platz steht jetzt wieder zur Debatte. Der Grund: die Umzäunung, welche der Pizzabetreiber, der dort mit diesem Pavillon eigentlich gar nicht existieren dürfte, veranlasst hat. Die Folge ist, die Trinker- und Drogenszene haben weniger Platz für ihre Treffs. Sie halten sich jetzt dicht gedrängt gegenüber der Pizzeria auf. Aber auch die Architektin des Platzes wurde aktiv. Sie sah durch diese Abgrenzung ihr Urgeberrecht verletzt und hatte gegen diese Aufstellung bei Gericht Klage erhoben. Nun hat das Landghericht entschieden, dass der Zaun nicht abgebaut werden muss. Es bleibt also so wie es jetzt sich darstellt.

Dieser Zustand ist allerdding nur eine neuerliche Ist-Zustandsbeschreibung des Worringer Platzes von vielen anderen vorher, die uns daran erinnert: am Worringer Platz muss etwas geschehen. Einige Medien nehmen dies zum Anlass, den Worringer Platz wieder einmal zu entdecken. Aber alles ist seit Jahren bekannt, ist von allen Seiten, der Drogenhilfe, der Anwohner, des Pizzeria-Betreibers etc. beleuchtet worden. Warum kein investigativer Artikel darüber, wie es zu diesem Zustand gekommen und warum bis jetzt noch keine Änderung realisiert worden ist? Feuilleton und Zustandsbeschreibungen helfen nicht weiter; es muss gehandelt werden.

Seit vielen Jahren ist diese Situation bekannt und Lösungsmöglichkeiten wurden diskutiert. Workshops und Quartiersrundgänge mit mal großer, mal geringer Anwohner- und Geschäftsleute-Beteiligung, aber immer mit großer Beteiligung städtischer Bediensteter, wurden durchgeführt. Gelder aus dem Landesprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ gab es für verschiedene Maßnahmen (EKISO). Ähnliche Workshops gab es zum Wettbewerb „Revitalisierung Bahnhofsvorplatz“. Auch dort ist der unerfreuliche und missliche Zustand beschrieben und Abhilfe gefordert worden. Letztlich heißt es in den Ausführungen „Handlungsraum Stadtmitte -Ost“ des städtischen Projektes „Raumwerk D“ nach aufwendigen Diskussionen und Online-Befragungen unter „Was Läuft noch nicht so gut?“ lediglich: „Worringer Platz nicht vergessen“ ; und unter „Aufgaben und Ideen“ steht der richtungsweisende Hinweis: „Blick auf die Potenziale richten (Worringer Platz …).“

Der Worringer Platz wird durch Kunstaktionen belebt.

Für den Worringer Platz brauchen wir keine weiteren Workshops, Arbeitsgruppen oder – zumindest gutbezahlte – Ideen von ausgelagerten, fremden Planungsbüros. Die Kompetenz liegt bei der Stadt, ihren Bewohnern und Institutionen. Ein Rundgang über den Worringer Platz und intensive Gespräche mit dem Ordnungsamt, dem Gesundheitsamt, der Drogenhilfe, der Polizei, den Amorphinärzten, den Streetworkern, dem Flinger mobil und weiteren Beratungsstellen, den Anrainer-Geschäften, insbesondere dem Pizzeria-Betreiber und den Anwohnern reichen aus, um sachkundig zu sein.

Die Historie dieses Platztes zeigt, wir haben keine Lösung gefunden. Der Worringer Platz blieb, wie er sich jetzt darstellt: ein Verkehrsknotenpunkt, der Umsteigeplatz mit entsprechenden Wartezeiten für Benutzer der Rheinbahn und vor Allem der Aufenthalts- und „Wohnraum“ für Drogen- Alkoholsüchtige und Wohnungslose. Sie alle haben einen Anspruch, öffentliche Räume zu nutzen. Auch das gehört zu der politischen Aussage „Düsseldorf für Alle“. Einfach vertreiben geht nicht. Schon gar nicht, wenn dies klammheimlich lediglich im Zusammenspiel zwischen Pizzeria und einem einzigen Amt der Stadt geschieht, ohne Diskussion mit anderen Betroffenen. Dies an einem Platz, der aufgrund seiner derzeitigen Struktur für ständige Diskussionen sorgt.

Der Glaspavillon, Gasthof Worringer Platz genannt, mit regelmäßigen Kunstaktionen.

Aber auch der Betreiber der Pizzeria, die Rheinbahnumsteiger und viele Anwohner haben ein Anrecht auf ein friedliches Miteinander der Platzbenutzer. Dieses ist durch das Verhalten vieler „Platzbewohner“ oftmals gestört und führt zu einer Spaltung der Stadtgesellschaft am Worringer Platz. Dies ist bedrohlicher für unser Zusammenleben in Düsseldorf als die dortigen Leerstände, welche mit zu einem „Abschmieren“ des Platzes und der angrenzenden Straßen beigetragen haben.

Es kann auch keine zufriedenstellende Änderung erreicht werden, wenn nur der Platz, allein betrachtet, in die nun notwendigen Änderungen einbezogen wird. Der Platz kann grün, rot oder blau gestrichen werden, er kann zusätzliches „Stadtmobilar“ wie Bänke, Sofas oder Einzel-Sitzplätze erhalten, Bäume können gepflanzt werden oder er kann nachts taghell bestrahlt werden, die Pizzeria kann abgebaut oder eine zweite hinzukommen. An der Zusammensetzung der Nutzer des Platzes wird sich nichts ändern. Kommt die Ordnungsmacht der Stadt zu Hilfe, folgt lediglich eine Verdrängung der kritischen Zielgruppe an einen anderen Platz, wohin auch immer. Dort haben wir dann das Problem. Anschauliches Beispiel ist der Abbau des Hochbeetes am Immermannhof und Errichtung eines offenen Platzes (mit EKISO-Geldern). Die Drogensüchtigen verschwanden, größtenteils zum Worringer Platz. So wird es keinen sozialen Frieden geben.

Der Worringer Platz nach dem Wiederaufbau Anfang der sechziger Jahre

Jetzt handeln, jetzt nicht den Worringer Platz wieder nur als Einzelbereich (wie zum Beispiel Bahnhofsvorplatz „revitalisieren“) ins planerische Visier nehmen. Jetzt den Platz im Zusammenhang mit der allernächsten Umgebung betrachten, wenn schon die angrenzenden Viertel leider außen vorgelassen werden müssen. Es handelt sich um die umliegenden Häuser mit ihren Straßen, der Karl-, der Kölner-, der Acker-, der Erkrather- und der Worringer Straße. Rückblick: hier hat die Stadt, aber auch die Kreativszene bei einer möglichen Wiederherstellung der Kulturstätte „Botschaft“ vor einigen Jahren kläglich versagt, .Anstelle eines Theaterspielplatzes – auch für das FFT – wird es hier Microappartments en masse geben.

Bleiben die vielen Leerstände übrig. Diese müssen ins Visier genommen werden. Hier gäbe es neue „Aufenthaltsräume“, aber auch für Kommunikation, Diskussion und Gedankenaustausch geeignet; dies ohne der heutigen strikten Kommerzialisierung zu verfallen. Mit den Eigentümern muss dringendst gesprochen werden. Die Landesregierung NRW hat hierfür das „Sofortprogramm Innenstadt“ mit finanziellen Hilfen installiert. Dies sieht sogar einen Ankauf von Immobilien vor. Zum Beispiel: das Eckhaus Kölner Straße/Worringer Platz als Kulturstätte. Der Leerstand Worringer Platz 5 kann sofort als Zwischennutzung hergerichtet werden. Zumindest bis vor einiger Zeit war der Eigentümer hierzu bereit. Cafés in die Leerstände Worringer Platz/Ecke Karlstraße; und die leerstehende Tankstelle Kloster-/Karlstraße als kreative Nutzung. Und warum nicht nochmals die Untertunnelung des Worringer Platzes ans Tageslicht einer neuen Planung bringen? Und schließlich die Drogenhilfe dezentralisieren, bitte nicht in der bürokratischen Warteschleife abstellen!

Der Worringer Platz in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Es dürfen auch nicht die Paragrafen, welcher Gesetze und Verordnungen auch immer, hervorgeholt werden, um dieses Vorgehen von vornherein als unmöglich zu brandmarken. Es war leider immer so, dass stockenden Projekte durch ganz unterschiedliche Hindernisse verzögert wurden. Mal waren es leicht auszubremsende Planungsverfahren, mal zu kleinteilige Strukturen, unnötige Bürokratie oder fehlendes Gespür für die Bedürfnisse der Menschen. Das Ergebnis war immer dasselbe: Die eigentlichen Ziele – Zwischennutzungen zu schaffen – verschwammen im bürokratischen Dschungel bis zur Unkenntlichkeit. Wenn die Politik in Düsseldorf Zwischennutzungen will – das ist Schwarz, Grün, Rot, Lila und Gelb klar gefordert worden -, dann ist dies ein Ziel. Wenn klare Ziele definiert werden, folgern daraus eindeutige Prioritäten, auf die das Handeln auf allen Ebenen der städtischen Verwaltung ausgerichtet wird. Es muss nur gewollt werden. Oder wie Johannes Pennekamp es am 18.7. in der FAZ formulierte „Der öffentliche Sektor brauche „stärker am Ergebnis ausgerichtete Maßstäbe. Statt einer Angebotskultur von Behörden und Verwaltungen müsse es eine ´Nachfrage und Ergebnisorientierung`des Staates geben“. Und es gibt immer Ermessenspielräume, die vieles möglich machen. Hierzu bedarf es auch eines Mentalitätswandels, einer anderen Einstellung im Umgang mit Risiken. Und wie der oben zitierte Autor im Artikel der FAZ weiter ausführt „anstatt sich davor zu fürchten, dass mal ein Projekt schiefläuft oder ein Euro versenkt wird, müsse die Bereitschaft gefördert werden, ins Risiko zu gehen. Anstatt sich an Vorgaben und Paragraphen festzuklammern, müsse es erlaubt sein, mal pragmatisch eine Abkürzung zu gehen oder etwas freihändiger zu entscheiden, damit man dem eigentlichen Ziel einen Schritt näherkommt“. Vielleicht bringt uns eine Abkürzung am Worringer Platz einen Schritt weiter. Zum sozialen Frieden und guter Nachbarschaft.


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1 Kommentar

  1. Der Autor behauptet, die Medien würden das Thema Worringer Platz lediglich aufwärmen ohne investigativ zu recherchieren. Das ist in meinen Augen nicht richtig, denn was ich kürzlich gelesen habe, da waren die Ursachen für die Zustände am Worringer Platz gut recherchiert. Dass etwas passieren muss ist seit Jahren schon völlig klar. Vielleicht sollte man den Blick mal lieber darauf richten, warum nichts passiert.

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